Getragen von Unternehmermut und gezeichnet von unvermeidbaren Schicksalsschlägen ist das Haus tief mit der neueren Cochemer Geschichte verwoben. Spürbar wird das für unsere Gäste in jedem Winkel und so manche Begebenheit lässt sich bei einem Besuch an den Wänden des Cafés in fotografischer Form begutachten.
Michael Rünz erinnert sich im untenstehenden Text an die historischen Eckdaten und Geschichten des Rathaus Café.
Das Rathaus-Café Rünz wurde 1878 von meinem Urgroßvater Johann-Josef Müller zunächst als Bäckerei gegründet. Zunächst befand es sich in der Oberbachstrasse in Cochem, jedoch konnte bald das Haus Am Markt 2 erworben werden. Johann-Josef Müller hat Ehrenurkunden für 40-jährigen Meisterbrief als Bäckermeister und 50-jährige Berufstätigkeit erhalten.
Über eine „Verkupplung“ durch Verwandtschaft in Höhr-Grenzhausen (Familie Serwazi, Café Serwazi) hat Peter-Josef Rünz aus Kettig, geboren am 11.10.1908, Frau Gertrud Müller, Tochter von Johann-Josef Müller kennengelernt und geheiratet. Er hatte eine Konditorlehre in Köln in der renommierten Konditorei Eigel gemacht (www.cafe-eigel.de) .
Als er das Café übernahm (sein Schwiegervater hat bis ins hohe Alter mitgearbeitet), hat Peter-Josef Rünz sehr schnell das Geschäft um die Konditorei erweitert und hausgemachte Pralinen sowie Rahmbonbons als Delikatessen angeboten. So konnte die Konditorei sich über die Grenzen der Stadt Cochem einen Namen für feinsten Konditoreigenuss aufbauen.
Während des 2. Weltkrieges waren die Rohstolle knapp und es ging eher um Grundversorgung. Lange wurde Peter-Josef Rünz von einer Einberufung verschont, doch ende 1942 muss er an die Front und wird 1943 vermisst gemeldet.
Kurz vor Kriegsende verstribt sein Vater (Januar 1945) bei einem Bombenangriff auf die Stadt Cochem. Damit ist Gertrud Rünz (geborene Müller) mit ihren drei Töchtern (Marliese, Getrud und Brigitte) sowie dem Sohn (Karl-Josef) allein. Bald nach Kriegsende beginnt sie mit dem Wiederaufbau, unterstützt durch ihre Kinder, welche die Auslieferung von Backwaren in die nahegelegenen Stadtteile zu Fuß oder mit dem Fahrrad übernehmen und so Krankenhaus, private Haushalte aber auch andere Einrichtungen versorgen. Schrittweise gelingt so der Wiederaufbau.
Der einzige Sohn beginnt mit 14 die Konditorlehre in Neuwied in der Konditorei Köpper. Während der Gesellenzeit unterstützt er die Familie zu Hause. Im Jahr 1959 verstirbt Gertrud Rünz während des ersten Urlaubes ihres Lebens in Hindelang. Die vier verbliebenen Waisen stehen mit dem Geschäft plötzlich allein da.
Unterstützt durch die Schwestern wird das Geschäft weitergeführt, mein Vater, Karl-Josef Rünz schließt im Jahr 1959 die Meisterprüfung ab. 1963 wird das Geschäft grundlegend umgebaut und eine neue Zeit beginnt im Rathaus-Cafe Rünz. Ab 1969 führt mein Vater das Geschäft mit seiner Frau Margarita (Rita) Rünz allein weiter. Mit Spezialisierung auf Konditorei, Torten, Pralinen, hausgemachtem Eis, Rahmbonbons erhält das Café seinen guten Ruf und baut ihn weiter aus mit einer wachsenden Stammkundschaft.
Bei einer Gasexplosion im Nachbarhaus 1978 werden weite Teile zerstört und für mehrere Monate muss zu kompletten Sanierung geschlossen werden. Doch noch im gleichen Jahr geht es mit neuem mut weiter. 1989 wird dann zu ersten mal genehmigt, eine Außenbestuhlung einzuführen und fortan konnten die Produkte des Cafés auch im Freien auf dem historischen Marktplatz in Cochem genossen werden. Bekannte Gäste, aus meiner Erinnerung, waren beispielsweise die TV-Persönlichkeit Alfredo Biolek und der Fussballspieler und -Trainer Jupp Derwall.